Der Ausgangspunkt

Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts hat man Scheler nur noch als Vorbereiter der Philosophischen Anthropologie und der Wissenssoziologie wahrgenommen. In den letzten 20 Jahren hat eine umfangreiche, an zahlreiche Themen Schelers anknüpfende Renaissance in ganz unterschiedlichen intellektuellen Milieus stattgefunden.

Die Renaissance Schelers hat auch zu einer neuen Beschäftigung mit den Entstehungskontexten seines Denkens geführt.  Erst in Ansätzen wieder aufgenommen wurde jedoch die Beschäftigung mit der Wirkungsgeschichte in Frankreich.

 

Die Person Scheler

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Aus der Künstlermappe Zeitgenossen (1925)Zeitgenossen. Zeichnungen von Rudolf Großmann. Verlag des Kreises [1925]. Die Mappe enthält 17 Portraits von Zeitgenossen: Wilhelm v. Bode, Lovis Corinth, Emil Jannings, Hermann Graf Keyserling, Alfred Kubin, Max Liebermann, Thomas Mann, Julius Meier-Gräfe, Alfred Merton, Benito Mussolini, Seine Heiligkeit Papst Pius XI., Herbert von Richthofen, Karl Scheffler, Max Scheler, Frhr. Rudolf von Simolin, Oswald Spengler, Heinrich Wölfflin.
Von Rudolf Großmann
Zu Rudolf Großmann vgl.: Phänomen Großmann trifft auf künstlerische Fotographie, hrsg. von Lisa Bauer-Zhao und Isabel Herda, Städtische Museen Freiburg, Köln 2022, das Portrait Schelers dort auf S. 200.
Unser Abdruck erfolgt nach einer Vorlage aus Privatbesitz.
Zur Zeitgenössische Aufnahme der Künstlermappe „Zeitgenossen“ vgl. : DAS WERK. Architektur. Freie Kunst. Angewandte Kunst. Erstes Heft, Januar 1926, S. 64 ff.
Großmann hat mehrere Portraits Schelers angefertigt.
Vgl. Z. B. auch Keyserling, Hermann Alexander: Probleme des persönlichen Lebens

„Zu Hause auf meinem Kanapee erzählte mir der Professor Scheler die indische Sage von der Leidensschlange, deren tausendfältiger Umschlingung sich der Inder leise und geschmeidig entwindet. Er selbst ist so ein leiser und geschmeidiger, sich Ent- und Einwindender, eine Proteus-Natur, die meinem Zufassen immer wieder entgleiten wollte, sich bald verkrampfte, bald in Schlaffheit löste, jetzt wie ein Senkblei in die Tiefe des Moralischen und Religiösen lotend, dann wieder frivol und mondän an schillernden Oberflächen“

Das Portrait Schelers wurde einem größeren Publikum durch eine Veröffentlichung im Berliner Tageblatt vom 1. März 1925 bekannt. Unter dem dem Titel Charakterköpfe unserer Zeit sind fünf Zeichnungen und kurze Kommentare zu sehen. Neben Scheler sind Thomas Mann, Emil Jannings, Oswald Spengler und Lovis Corinth abgebildet.

 

Methodische Überlegungen

Prämisse der Konstellationsforschung: Jedes Denken lässt sich nur in seinen Beziehungen zu anderen verstehen. 

Scheler war breit vernetzt und intellektuell sehr umtriebig

Für unseren Kontext bedeutet das eine Beschäftigung mit Schelers Umfeld. Viele wichtige Spuren für eine Konstellationsforschung, die bei Scheler auch intellektuelle Milieus in den Blick nehmen muss, befinden sich in Nachlässen. Die Entwicklung von Denkbewegungen lässt sich besonders gut anhand der Entwicklung von Texten rekonstruieren, die von Scheler immer wieder ergänzt und umgearbeitet worden sind. 

Es ist daher notwendig, die inhaltlichen Fragen unseres philosophiegeschichtlichen Projektes mit editorischen Arbeiten zu verbinden.   

Ziele

Pluralisierung der Geschichte der Phänomenologie

In einer Verbindung von Philosophiegeschichtsschreibung und problemorientierter systematischer Philosophie soll zum einen gezeigt werden, wie bedeutend der Einfluss französischer Autoren auf Scheler war. Zum anderen gilt es, die herausragende Bedeutung Schelers als Phänomenologe für die Entwicklung der französischen Phänomenologie herauszustellen.
 
 Die institutionalisierte Kanonbildung wird hinterfragt und eine andere Geschichte der Phänomenologie ermöglicht, in der sich die Phänomenologie durch eine allmähliche Verabschiedung vermeintlicher Grundannahmen (Essentialismus, Subjektivismus, Ahistorizität etc.) nicht selbst auflöst.

Digitale Grundlagenarbeit

 

Eine kritische Edition aller Nachlasstexte ist ein wichtiges Desiderat für die gesamte Schelerforschung. Dafür wird in diesem Projekt der Grundstein gelegt.

Eine frei zugängliche integrale Datenbank wird erstellt, in der Bibliographie, Textpräsentationen, Nachlass, Briefe etc. miteinander verknüpft werden, die das Basismaterial für die Durchführung der Konstellationsforschung darstellen. Die visuelle Darstellung der im TEI-XML Format erstellten Forschungsdaten wird in einem intuitiv anwendbaren Frontend ermöglicht werden. 

Kooperationsprojekt
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