Max Scheler und Frankreich
Die französische Philosophie hat sich im Ausgang von dem Import eines deutschen Paradigmas (der Phänomenologie) neu aufgebaut, doch dass sich dieser kulturelle Transfer überhaupt hat abspielen können, liegt daran, dass die Phänomenologie in Schelers Fall auch französische Quellen besitzt.
„Seine Haltung gegenüber der Welt ist eine Haltung der selbstlosen Kontemplation, in die immer Demut und Liebe einfließen, und er denkt nie daran, die Wirklichkeit zu verunglimpfen oder zu quälen, sondern nur daran, sie zu vergeistigen, um sie aufzuwerten.“ Louis Lavelle 1936 Einleitung zu: Le sens de la souffrance, Paris, Aubier Montaigne, 1936.
Französische Einflüsse auf Scheler
Zentral für Schelers Denken war zeitlebens die Auseinandersetzung mit Henri Bergson, während Blaise Pascal entscheidende Elemente für Schelers Werttheorie lieferte. Damit seien nur zwei der entscheidenden Einflüsse genannt.
Schelers Einfluss in Frankreich
Paul Ludwig Landsberg
Studierte bei Husserl und Scheler
Floh 1933 vor der Judenverfolgung nach Paris und popularisierte das Denken Schelers
Jean Hering
Mitglied des Göttinger Phänomenologenkreises
Entwickelte von Scheler ausgehend seine Religionsphänomenologie
Georges Gurvitch
Lehrte 1927-1929 an der Sorbonne über Tendenzen der deutschen Philosophie und veröffentlichte im Rahmen dessen zu Scheler.
Prägte nach dem zweiten Weltkrieg die französische Soziologie
Bernhard Groethuysen
Wichtiger Mittler zwischen französischen und deutschen Intellektuellen und mitverantwortlich für die Einladung Schelers nach Pontigny
Alexander Koyre
-Wichtige Verbindung zu Bergson -Mitverantwortlich für die Einladungen Schelers nach Frankreich
Chronologie
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1902
Scheler beginnt seine Bergson Rezeption und liest Essai sur les données immédiates de la conscience.
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Ca. 1906
Scheler überzeugt den Verleger Eugen Diederichs davon, Henri Bergsons Maitre et Memoire ins Deutsche zu übersetzen. (vgl. Zanfi 2018) Im gleichen Jahr beruft er sich in einem Brief an Graf Gregor von Hertling auf Bergson als wichtige Quelle für sein Denken.
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1908/1909
Erste öffentliche Auseinandersetzung Schelers mit der Philosophie Bergsons in der Biologie-Vorlesung.
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1912
Scheler bezieht sich in Über Ressentiment und moralisches Werturteil erstmals auf J.M. Guyau und kündigt einen Text mit dem Titel „Ordre du Coeur” an.
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1915
Das Nationale in der Philosophie Frankreichs erscheint im Neuen Merkur
Der Neue Merkur II/8 (1915)
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ca. 1916-1918
Scheler setzt sich mit der (französischen) Mystik auseinander und empfiehlt Ernst-Robert Curtius Literatur zum Thema.
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1923
Ein überarbeitete und erweiterte Fassung von Schelers Buch Wesen und Formen der Sympathie (1913: Zur Phänomenologie und Theorie der Sympathiegefühle und von Liebe und Hass) erscheint. Scheler greift darin auf eine Vielzahl französischer Quellen zurück.
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1924
Erste Aufenthalte Schelers in Pontigny und Paris.
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1925
Alexandre Koyré veröffentlicht in der Revue Philosophie de la France et de L'Etranger eine Rezension der zweiten Auflage des Sympathiebuchs.
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1926
Jean Hering veröffentlicht die an Schelers Vom Ewigen im Menschen anschliessende Monographie Phénoménologie et philosophie religieuse.
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1926
Zweiter Aufenthalt Schelers in Paris
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1928
Scheler verstirbt am 23.05.
Alexandre Koyré veröffentlicht einen Nachruf in der Revue d'Allemagne et des Pays de langue allemande. -
1928
Nature et Formes de la Sympathie erscheint als erstes Werk Schelers in französischer Übersetzung
Nature et formes de la sympathie, trad. M Lefebvre, Paris, Payot, 1928
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1930
Georges Gurvitch veröffentlicht Les tendances actuelles de la philosophie allemande inklusive eines langen Artikels über Schelers Phänomenologie
Gurvitch, Georges. 1930. Les tendances actuelles de la philosophie allemande.Paris :Vrin. -
1935
Maurice Merleau Ponty veröffentlicht in La vie intellectuelle 10/06/1935 eine ausführliche Rezension zur anonymen französischen Übersetzung von Das Ressentiment im Aufbau der Moralen:
L’homme du ressentiment, trad. anonyme [du Père Jean de Menasce], Paris: Gallimard, 1933.
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1936
Erscheinen unter dem Titel Le Sens de la Souffrance"die übersetzten Aufsätze Liebe und Erkenntnis, Reue und Wiedergeburt und Vom Sinn des Leides
Le sens de la souffrance, trad. Pierre Klossowski, Paris, Aubier Montaigne, 1936.
Digitale Grundlagen
Kritische digitale Edition der in „Sens de la Souffrance“ veröffentlichten Texte, sowie „Das Ressentiment im Aufbau der Moralen” und thematisch relevanter Nachlassmaterialien.